Die Erdnuss-Methode
Schreiben ist der direkte Weg zum Herzen.

Kommunikation bestimmt das soziale Leben fast aller Menschen in hohem Ausmaß. Die Art wie wir Menschen miteinander kommunizieren wird hingegen fast nie genauer betrachtet, es herrscht das Gesetz des Dschungels. Aber wieso ist das so? Familien haben oft ihre jeweiligen Sitten, derer ihre Mitglieder sich meist in den wesentlichsten Teilen kaum bewußt sind. Wahlgemeinschaften wie im Erwerbsleben oder auch Lebensgemeinschaften bestehen daher aus einem Flickenteppich verschiedener Überzeugungen dessen, was vermeintlich selbstverständlich ist.

Vor dreihundert Jahren war Deutschland noch ungleich ländlicher geprägt, Städte waren ungleich kleiner als heute. Dieses Leben war sehr durch Familie und Dorfgemeinschaften und deren Vorstellungen davon geprägt, was "sich gehört". Heutige Stadtbewohner befinden sich in einer ganz anderen Lebenssituation aus einem Mischmasch verschiedener Vorstellungen und Sitten, die kaum noch Bezug zum heutigen Geistesleben aufweisen.

Weit verbreitet kommunizieren Menschen bis heute nach Vorstellungen von "falsch" und "richtig", die eher dazu gedacht waren die Familie, die Dorfgemeinschaft auch angesichts ökonomischer Daseinszwänge zusammenzuhalten. Diese Art zu kommunizieren passt nicht mehr zur heutigen Lebenssituation, die mitterweile bis tief in ländliche Gegenden städtisch geprägt ist. Auch daraus folgend fühlen sich immer mehr Menschen im Innersten einsam, verloren, depressiv, sie finden keinen Weg mit anderen Menschen ihrer heutigen Lebenssituation angemessen zu kommunizieren. Sie passt auch nicht zu Idealen persönlicher Freiheit und Entfaltung des Geistes, denn ihre Natur ist maßgeblich irrational ausgerichtet. Diese nicht mehr zeitgemäßen archaischen Impulse versucht man mehr und mehr mit kleinen Schritten zurückzudrängen, etwa durch Bewerbungen ohne Bild.

"Rational" nennen wir verbal ausgedrückte Gedanken zu einem Sachverhalt, zu denen sich ebenso rational positioniert werden kann. "Rational" meint bei uns nicht eine Begrenzung auf bestimmte materialistisch-reduktionistische Wissensquellen. "Rational" oder "logisch" ist immer ein Gedankengang, der auf bestimmten Annahmen aufbaut, nicht die Erkenntnisquellen, die Annahmen über Realität selbst.

Wir gehen in unserer Gemeinschaft mit dem Einsatz der Erdnuss-Methode einen konsequenten und weitgehenden Schritt, der mit oft unhinterfragten Gewohnheiten strikt brechen will.

Unsere Gemeinschaftskommunikation soll verbal sein. "Verbal" ist anders als viele annehmen kein Begriff für "mündlich", sondern für die Sprachlichkeit einer Mitteilung. Wir möchten Kommunikationsgewohnheiten überwinden, die Irrationalität in unserer Kommunikation fördern. Beispiele hierfür sind die Gestik und das sogenannte "Auftreten" eines Individuums, das oft mit starken irrationalen Wertungen verbunden wird. In unserer Kommunikation soll alleine das Wort zählen, der Gedanke, eine gute Argumentation. Ähnlich der Bewerbung ohne Bild werfen auch wir das Bild aus unserer Gemeinschaftskommunikation, indem wir nur die Schrift als bevorzugtes Ausdrucksmittel des Geistes sprechen lassen und darin auch in der Hausgemeinschaft zu tieferer Verbundenheit gelangen.

Menschen des Scheins reagieren in ihrer inneren Verschlossenheit oft allergisch auf Schriftkommunikation.

Viele finden das zuerst ungewohnt, vielleicht sogar lästig. Manch einer ist möglicherweise im Schreiben schlichtweg so ungeübt, daß er am Anfang nur langsam vorankommt. Ja, das kann kurzzeitig frustrieren, geht aber vorbei. Und bisherige Gewohnheiten haben nicht selten auch veranlagungsbedingte Hintergründe (der Urfamilie, des bisher selbstgewählten Umfelds, der Person selbst).

Aber gibt es nicht viel mehr Mißverständnisse, wenn man das Gegenüber gar nicht sieht? Nein, nicht wenn man sich auf eine angemessene Weise mitteilt, liest und antwortet. Unsere Art zu kommunizieren ist eine Art geschützter, ruhiger Raum. Das macht die Kommunikation angenehmer. Wir wollen nicht diesen zeitlich drängenden Situationsdruck, der von vielen bei üblichen irrational kontaminierten Gesprächsrunden empfunden wird. Wir wollen auch nicht, daß sich manche nicht trauen etwas zu sagen. Wir wollen nicht, daß sich meistens nur einige wenige zu Wort melden. Wir wollen nicht, daß manche "Salonlöwen" menschliche Nähe in Gesprächsrunden suchen, in denen es darum gehen sollte Sachfragen zu besprechen und diese Runden deswegen ineffizient machen um sich selbst gut zu fühlen und viele andere zu belasten.

"Party-Spirit" hat nicht nur einen Bezug zu stofflichem Rauschmittelkonsum, es wird insgesamt eine Art Gruppenberauschtheit gesucht. "Hurra, ich gehöre zu einem Rudel dazu." ist die Kehrseite tiefer innerer Unsicherheit und Furcht verloren zu sein. Dies sollte jedoch nicht mit verbaler, sachbezogener Kommunikation vermischt werden, denn das Bedürfnis nach irrationalem "Gemeinschaftsgefühl" passt nicht zur tatsächlichen Begegnung von Individuen aus ihrem eigentlichen Sein heraus. Diese Art von "Gemeinschaftserleben" ist an sich eine Illusion wie ein Zurückgeworfensein auf das eigene Ego in anderen rauschhaften Zuständen. Es steht der individuellen Klarheit entgegen.

Wir wollen diese ganze Art der Selbstdarstellung nicht in unserer Gemeinschaft haben und sie auch nicht durch Kommunikationssitten fördern, die den "Blendern" und "Aufschneidern" am meisten zusagen. Wir nehmen ihnen ihre gewohnte Plattform der "Schlagfertigkeit", weil es in unserer Gemeinschaft nicht um diese "Sportart" gehen soll, sondern um die Dinge, die wirklich an der Tagesordnung sind.

Schriftliche Äußerungen bringen viele Vorteile mit sich: Jeder kann in Ruhe nachdenken, bevor er antwortet. Die inhaltliche Qualität des Austausches steigt. Man bleibt im Gespräch, statt umständlich sowieso ineffiziente Termine vereinbaren zu müssen. Bei eilenden Entscheidungen setzen wir kürzere Antwortfristen, bei anderen Themen nur bei Bedarf, sofern der Eindruck entsteht, daß jemand seine Beteiligung verschleppt. Durch das Festhalten von Absprachen und dem genauen Wortlaut von Vereinbarungen und Versprechen gibt es weniger Konflikte, indem manche versuchen sich nachträglich alles so hinzudrehen, wie es ihnen aktuell in den Kram passen würde. Irrationale Anteile haben einen geringeren Anteil an der Kommunikation, es geht wirklich um die Sache. Die Kommunikation wird menschlich sogar wärmer, näher, was etliche Menschen sich kaum vorstellen können, bis sie sich darauf einlassen. Wer sich mit sich selbst beschäftigt, etwa sein Inneres zu ordnen sucht, "meditiert", der wird damit schon vertrauter sein seine Gedanken zu sammeln, ihm sollte diese "meditative Kommunikationsweise" auf eine gewisse Weise vertraut sein.

Eine Anwenderin hat über die Erdnuss-Methode folgendes zu berichten:

"Ich habe dabei erfahren, dass diese Form des Austausches energetisch sehr viel bewirkt. Das tiefe Einlassen darauf birgt ein grosses Potential an Möglichkeiten, mich auszudrücken und Botschaften auch in die Ferne auszusenden, deren Gehalt niemals vergleichbar ist mit mündlicher Kommunikation. Zeit und Raum scheinen dabei keine Rolle mehr zu spielen, es ist tatsächlich eine ausserordentlich meditative Qualität damit verbunden. Ohne ablenkende Einflüsse eines Bildes, das ich mir von einem Gegenüber mache – oder das ich einem Gegenüber von mir selbst vermitteln möchte – ist mein Fokus ganz auf die Wortwahl gerichtet, welche sorgfältig ausgesucht und mit einiger Übung auch zunehmend ins Fliessen kommt, so dass ich immer besser exakt das ausdrücken kann, was ich auch wirklich meine. Auch hinsichtlich des Lesens von Aussagen meines Austauschpartners, den ich nachfolgend in einem Interview zum Thema befragen werde, habe ich erstaunliche Erfahrungen mit der Erdnuss-Methode gemacht, indem meine Fähigkeit, zwischen den Zeilen lesen zu können, sehr stark zugenommen und sich mir damit eine weitere Dimension dieser Art von Schriftkommunikation eröffnet hat, welche ich vorher nie für möglich gehalten hätte."

Interview zu Erdnußkommunikation

Ein langjähriger Bewohner des Jakobguts, der sich mit der Erdnussmethode gut auskennt, hat in einem Interview darüber berichtet.

Was zählt Deiner Ansicht nach zu den Hauptgründen für die Schwierigkeiten, welche Bewerber mit der schriftlichen Form des Kennenlernens haben?

In der heute in Europa verbreiteten Kultur wird Schriftlichkeit oft mit Ferne zum anderen, auch mit menschlicher Ablehnung durch uns als Gemeinschaft assoziiert. Oft wird z.B. gesagt "vielleicht lernen wir uns auch mal persönlich kennen", wenn derjenige ein körperliches Treffen meint. Es ist vielleicht ein Aspekt stark irdischer Orientierung. Menschen beschäftigen sich viel mit körperbezogenen Dingen, haben im Durchschnitt auch deutlich mehr Sachen als es noch vor wenigen Generationen der Fall war. Aber was ist "die Person", der Körper, körperliches Erleben? Oder doch eher ein mehr inneres Erleben, das was wir innerlich empfinden, wahrnehmen, wie wir zu Verschiedenem stehen, z.B. auch zu Körperlichkeit? So wird die geistigere Schriftkommunikation oft erst einmal abwertend, als etwas unnatürlicheres betrachtet, so wie echtes Geistiges an sich einen wohl immer geringeren Stellenwert in den tatsächlichen Lebensprioritäten von Menschen einnimmt. Und das obwohl Schriftkommunikation im Internetzeitalter von vielen Leuten auch öfter, in privaterer Weise genutzt wird als von der Generation davor. Es wird von nicht wenigen erlebt, daß auf diesem Weg das Herz des anderen näher ist, dennoch wird dies eher als Aspekt von Ferne gedeutet, vielleicht auch als etwas mit dem man seine Zeit vertrödele, obwohl das bedenklichere Vertrödeln von Lebenszeit eher darin stattfinden dürfte sehr viel davon auf Gelderwerb zu verwenden, darauf viele eigentlich wenig sinnvolle Dinge haben zu wollen, statt zu leben, sich mit dem eigentlichen Lebenssinn zu beschäftigen, damit innerlich in einen Zustand zu kommen, der glücklich genannt werden kann oder zufrieden.

Auf der anderen Seite gibt es sicher auch Menschen, die sich im Verlauf des schriftlichen Kennenlernens sehr gut auf den Austausch einlassen können. Was betrachtest Du als wichtige Voraussetzungen dafür?

Ein bereits vorhandener geistigerer Zustand in dem schon mehr Ferne von Weltlichem, Materiellem besteht?

Ist es massgeblich, ob jemand eine Sprachbegabung hat, oder zählt mehr die Fähigkeit, klar und offen kommunizieren zu können?

Manchen ist auch die Technik fremd oder aus irgendwelchen z.B. weltanschaulichen Gründen zuwider, das ist dann ein Problem. Aber man kann es nicht jedem Recht machen.

Die Fähigkeit zu offener, direkter, klarer Kommunikation setzt die Fähigkeit voraus sich selbst so ausdrücken zu können, was wiederum voraussetzt, daß sich jemand über das was in ihm ist, stattfindet entsprechend klar ist oder zumindest als Wert erkennt dies zu erkennen und dafür auch unangenehme Selbsterkenntnis ertragen zu können, sowohl im eigenen Reflektieren als auch in dem was andere formulieren. Diese Selbsterkenntnis dürfte in den meisten Fällen das sein, woran es eigentlich hapert. Viele Menschen sind innerlich stark verwahrlost, sitzen auf einem riesigen Berg von Unverarbeitetem, fliehen deswegen auch Stille instinktiv, fürchten sich vor ihr.

Wie lange dauert in der Regel die Phase des schriftlichen Kennenlernens?

Das ist sehr unterschiedlich, weil die Intensität auch sehr verschieden ist. Manche Interessierte sind anscheinend nur alle Tage mal online oder es dauert bei ihnen einfach so lange, bis sie eine Antwort absenden. Auf unserer Seite kann es manchmal ähnlich haken, auch je nachdem was sonst so los ist. Man stelle sich vor bei einem körperlichen Treffen würde jede Reaktion einige Tage dauern. Das verzögert den Faktor der Interaktion natürlich massiv, auch wenn Schriftkommunikation teils auch deutlich anders strukturiert ist (z.B. die mögliche Parallelität, Gleichzeitigkeit von Themen). Der Faktor der Interaktionsdichte ist gerade im ersten Kennenlernen oft schon recht bedeutend, würde ich sagen. Es geht da ja darum sich zu erleben, wie die anderen sich verhalten und wie das auf einen selbst wirkt.

Realistisch wäre es momentan mit einigen Monaten Schriftkommunikation zu planen - sofern die Antworten nicht stets Tage oder gar Wochen später eintrudeln. Von Vorteil sind authentische, von Herzen kommende Schreiben (wir sehen uns nicht als Wirtschaftsbetrieb, welcher quasi Leute einstellt nachdem diese sich auf solche Art "beworben" haben), die Eigenschaft nicht nur auf wenige Punkte einzugehen.

Wie gehst Du vor, wenn Du spürst, dass eine Kommunikation ins Stocken kommt und sich beim Gegenüber Widerstände aufbauen?

Kommt auf die Situation an. Ich frage z.B. weiter nach?

Über welche Themen wird bevorzugt ausgetauscht? Ist das sehr individuell oder steuerst Du dies in einer gewissen Weise, da Du erfahrungsgemäss vorgehst?

Die Interessierten präsentieren sich individuell und sie sind ja auch Individuen, also ist das sehr sinnvoll. Es sind ganz verschiedene Lebenswelten, die da erscheinen und darauf gehen wir auch ein, denn es geht bei uns ja an erster Stelle darum, daß Leute bei uns zufrieden leben könnten und sich ihrem individuellen Inneren zuwenden. Der dabei auch bedeutende Rahmen unserer Werte ist auf unserer Homepage nachzulesen. Nicht jeder passt zu uns.

Die Kennenlernphase findet in der Form von Emails statt. Gibt es Menschen, die schnell darauf drängen, persönlichen Kontakt mit Dir aufzunehmen? Wie reagierst Du auf ein solches Drängen?

Ja, das passiert ziemlich oft. Das ist dann für uns eine Art Warnsignal. Zu solcher Begriffwahl wie "persönlich kennenlernen", wenn von jemandem körperliche Begegnung gemeint wird, äußerte ich mich oben bereits.

Hat sich im Verlauf der Jahre etwas verändert bezüglich Einstellung zur Schriftkommunikation von Bewerbern? Hast Du den Eindruck, dass zurzeit weniger Menschen dazu bereit sind als früher? Wenn ja, weshalb meinst Du, dass dies so ist?

Wir haben es früher zunächst nicht so strikt umgesetzt gehabt. Die zurückliegenden Erfahrungen legten uns jedoch deutlich nahe, daß das einer der für unsere Ausrichtung maßgeblichsten Kriterien ist, so seltsam das auf manche vielleicht auch wirken mag. Seitdem wir es so strikt handhaben ist die Hürde zum Einzug höher, aber wir haben auch viel weniger Folgeprobleme vor Ort.

Die eigentliche Frage ist vielleicht, wie viele Gemeinschaftssuchende überhaupt eine solche positive Beziehung zu Schriftlichem haben. Manchmal glaube ich, daß die Menschen die Schriftlichkeit entsprechend schätzen nur zu geringen Anteilen auch nur im Traum auf die Idee kommen, es könne eine Gemeinschaft geben, in der genau das ist was erwünscht, eine wesentliche Leitlinie ist. Eine von vielen großen Herausforderungen bei unserer Öffentlichkeitsarbeit.

Inwiefern spielt die Schriftkommunikation eine Rolle im Tagesablauf des Gemeinschaftslebens auf dem Jakobgut?

Es gibt bei uns keinen einheitlichen Tagesablauf, jeder gestaltet seinen Tag grundsätzlich für sich (Ausnahme: Selten wird bei Bauvorhaben möglichst jede Hand gebraucht) und beteiligt sich freiwillig an Gemeinschaftsaktivität seiner Wahl (sofern überhaupt irgendjemand welche initiiert).

Wie schon auf der Homepage steht: Kommunikation zu Gemeinschaftsfragen ist bei uns verpflichtend in der Schriftform. Wenn es um private Absprachen und dergleichen geht sind wir tolerant, wobei dies auch oft zu bedeutenderen Teilen schriftlich stattfindet. Wir sind empfindlich wenn sich abzeichnet, daß jemand mit einer Arroganz der Mehrheit "da draußen" Mündlichkeit glorifiziert und schleichend beginnt mündliche Gemeinschaftsspaltung auszulösen. Aufgrund des oben schon beschriebenen oft geringen Ansehens geschieht das erfahrungsgemäß leider ziemlich schnell und nicht selten auch ziemlich dreist und fern jeden echten Problembewußtseins. Starke selbstherrliche unreflektierte Neigung zu Mündlichkeit ist für uns wenn man so will schon eine Art von Seuche, etwas das einen sehr hohen Lästigkeitsgrad aufweist.

Was möchtest Du den Lesern dieses Interviews mit auf den Weg geben, bevor sie sich als Bewerber bei Euch melden?

Lest vorher die Homepage. ;)

Manches an unserer Ausrichtung ist erfahrungsgemäß für viele über längere Zeit schwer verständlich, eine gewisse fragende, offene Grundhaltung schadet nicht.

Was kann in der Schriftkommunikation alles erkannt werden und worauf schaust Du dabei am meisten?

Wenn wir sie als direkten Weg zum Herzen betrachten, dann sehen wir in ihr auch die beste Möglichkeit sich von Herzen zu begegnen. Und genau damit haben möglicherweise auch viele Menschen ein Problem, die sich sonst hinter Modedesign und dergleichen zu verstecken und sich auf solche Art eine gewünschte Pseudoidentität zu basteln pflegen. Mit Körperlichkeit ist viel in solcher Art verbunden, die steht einem echten Kennenlernen oft entgegen. Deswegen werden heute ja z.B. hier und da in der Wirtschaft Bewerbungen ohne Bild praktiziert. Diese Ebene hält uns davon ab einander wirklich zu begegnen. Aber viele Menschen wollen das auch gar nicht, so wie sie auch die Stille nicht ertragen mögen.

Gibt es noch etwas Wichtiges zu ergänzen? Hast Du noch Anliegen, Anregungen oder Informationen, die besonders zu beachten wären, wenn Interessenten Eure Homepage lesen?

Die Homepage ist ein Versuch zu vermitteln, wie unser Lebensort ausgerichtet ist. Das gelang uns bisher nur eingeschränkt, denn diese Ausrichtung zu vermitteln hat sich sehr oft als sehr schwierig herausgestellt. Oadische Kultur beruht zudem stark auf Dialog, weniger auf massenmedialer Frontalvermittlung von Inhalten. Das beinhaltet Nachfragen, damit von dem ausgegangen werden kann, was ein einzelner Mensch meint, was er derzeit für richtig hält.

Zusatzmethode "Gewaltfreie Kommunikation"

Unsere Idealvorstellung sind Wortmeldungen ohne Namensnennungen. Wenn es trotzdem einmal in Richtung Unsachlichkeit rutscht neigen wir dazu punktuell zusätzlich "Gewaltfreie Kommunikation" einzusetzen.

Beispiel "Dschungel": "Du verhältst dich in der Küche total schlampig. Ich fühle mich provoziert, es ist dir total egal, dass hier so ein Dreck ist. Du bist ein Schlamper. Wenn in zwei Wochen nicht sauber ist, dann schmeiß ich dein Geschirr weg!"
Beispiel "gewaltfreie Kommunikation": "In der letzten Woche hast du dein Geschirr dreimal nach dem Essen auf die Spüle gestellt und es stand dort jeweils bis zum Morgen. Dann habe ich es abgespült. Ich bin sauer, weil ich nicht mag, wenn dein benutztes Geschirr dort steht. Wärst du bereit, künftig dein Geschirr sofort nach dem Essen abzuspülen?"

Verliert Kommunikation mit der Irrationalität nicht auch viel Qualität? Nein, genausowenig Kommunikation durch "gewaltfreie Kommunikation" verliert. Sicher, die grundlegend andere Handhabung wird für viele zunächst ungewohnt sein, vielleicht auch "ärmer" wirken, bis man beginnt unsere Methode zu fühlen, wenn ein Mensch sich tatsächlich darauf einläßt. Der Grad der Wahrhaftigkeit im Austausch steigt, manipulative Elemente verlieren an Einfluß. Gefühle können nach wie vor geäußert und erklärt werden. Die skeptische Betrachtung von Irrationalität richtet sich nicht gegen Emotionen an sich, sondern gegen Entscheidungsfaktoren, die nicht im Gedanken selbst begründet sind, z.B. unbewußte Mitgewichtung körperlicher Äußerlichkeiten.

Wie muß man sich das nun vorstellen? Darf man mit niemandem mehr mündlich etwas reden? Doch, das darf man auch bei uns gerne. Im Gegensatz zu diesen privaten Gesprächen kommt unsere Methode bei Gemeinschaftskommunikation zum Einsatz, also Kommunikation über alle Themen der Gemeinschaft: Vereinbarungen von Putzregeln, hauswirtschaftliche Fragen, menschliche Probleme zwischen Bewohnern und die Verpflichtung aller Beteiligter auf Anliegen anderer auch gemäß unserer Methode gewissenhaft einzugehen. Wenn einzelne Bewohner darüber untereinander mündlich kommunizieren haben sie die Pflicht dies danach innerhalb der Gemeinschaftskommunikation darzustellen. Wenn sie hingegen über private Angelegenheit kommunizieren, dürfen sie das tun, wie sie wollen, solange es niemanden stört (z.B. indem sich quer über das Treppenhaus schreiend kommuniziert würde). Es gilt der Grundsatz fair gegenüber den anderen zu bleiben und die Gemeinschaft nicht durch häufig stark irrational beherrschte "Geheimdiplomatie" zu spalten. In kleineren Runden entwickelte Gedanken nicht gewissenhaft, vollständig und unparteiisch (keine Lagerkommunikation außerhalb der tatsächlichen Gemeinschaftskommunikation) der ganzen Gemeinschaft mitzuteilen wird als Angriff auf die Gemeinschaft betrachtet.

Alltagsbeispiele

- Du hast Lust demnächst einen Ausflug in die Umgebung machen. Durch eine Email an die Gemeinschaft erfragst du, ob und wann jemand einen Ausflug plant. Du schreibst darin deine Ideen, was du gerne sehen würdest und welcher Zeitpunkt dir passen würde. Daraufhin einigen sich innerhalb der nächsten zwei Tage mehrere Bewohner auf einen gemeinsamen Ausflug eine Woche später und bringen danach die Planung dafür weiter voran.
- Du siehst, daß ein Zaunstück schadhaft ist. Nachdem du dich mit anderen Bewohnern dazu per Email abgesprochen hast, kannst du den Zaun reparieren.
- Du hast nie gelernt wie man einen Nagel einschlägt und sprichst das gegenüber anderen Bewohnern per Email an. Einer von ihnen holt Holzreste und alte Nägel. Du haust einige Nägel krumm, dann bekommst du es langsam raus. Der andere Bewohner steht daneben und gibt seinen Senf dazu, weil es dir lieber war es nicht alleine auszuprobieren.
- Du würdest das Wohnzimmer gerne in einer anderen Farbe gestrichen sehen und wirfst die Frage in einer Email auf. Die anderen Bewohner finden die Idee weniger toll. Das Wohnzimmer bleibt wie es ist.
- Du willst einkaufen gehen und rufst im Treppenhaus, ob jemandem etwas mitgebracht werden kann. Eine Tür öffnet sich und ein Bewohner kritzelt einige Sachen auf einen alten Zettel und kramt eine entsprechende Summe Geld heraus und gibt es dir mit.
- Du willst deine Ruhe haben. Es wurde nicht vereinbart, daß heute etwas zusammen getan wird. Du bleibst den ganzen Tag in deinem Zimmer.
- Du diskutierst mit einem anderen Bewohner mündlich über Gott und die Welt. In einigen Punkten bleibt ihr verschiedener Ansicht. Zwei Tage später tut ihr zusammen etwas anderes und die verschiedenen Ansichten spielen dabei keine Rolle.
- Du willst mit deinem geschwächten Tier zum Tierarzt. Du fragst einen gerade im Haus anwesenden Mitbewohner mündlich, ob er dich hinfährt. Er tut es.
- Du bist krank, hast Hunger und kannst dir keine Mahlzeit zubereiten. Du teilst deine Lage jemandem, der im Haus ist, mündlich mit und läßt diesen nachdem es in der Situation ersteinmal keinen unmittelbaren Bedarf mehr gibt mit Allen per Email klären, wer dir in den kommenden Tagen vielleicht zur Hand gehen könnte.

P.S.: Ja, salzige Erdnü∞e mit den Fingern zu essen, passt nicht gut zum Schreiben, weil man mit den Fingern dann das Schreibgerät beschmiert. Probiert es mal mit ungesalzenen, denen die noch ihre Schale drumrum haben. Oder nehmt einen Löffel.

Impressum

kontakt(ät)jakobgut.de